Rund 1000 Experten aus 40 Ländern haben am 4. und 5. Juli an der „Ukraine Recovery Conference“ im schweizerischen Lugano teilgenommen. Auch der Ost-Ausschuss war dort vertreten und organisierte im Nachgang am 8. Juli ein Online-Debriefing zu den wichtigsten Konferenzergebnissen. Über 40 Unternehmensvertreter schalteten sich online zu und tauschten sich mit Experten über die nächsten Schritte aus.
Die Konferenz in Lugano gehörte ursprünglich zu einer Serie von Konferenzen zum Stand der Reformen in der Ukraine. Wegen des Krieges wurde der Fokus nun stärker auf das Thema Wiederaufbau ausgerichtet. Dabei blieben notwendige Reformen ein wichtiger Aspekt der Diskussion. Ziel der Konferenz war es, die Strukturierung des Wiederaufbauprozesses der Ukraine zu beginnen. Die über 40 Delegationen aus Ländern, von internationalen Organisationen und großen Finanzinstituten verabschiedeten dazu eine „Lugano-Deklaration“ mit den grundlegenden Prinzipien, denen der Wiederaufbau folgen solle. Dazu zählen unter anderem die Fortsetzung des Reformprozesses und ein hohes Maß an Transparenz und Nachverfolgbarkeit. Der vollständige Text der Deklaration findet sich auf den Seiten der Konferenz.
Insgesamt 24 Unterarbeitsgruppen hätten darüber hinaus in den vergangenen Wochen einen ukrainischen Wiederaufbauplan erarbeitet und Vorschläge unter anderem für das ukrainische Gesundheitssystem, in der Digitalisierung aber auch der Infrastrukturentwicklung erarbeitet, berichtete Stefan Kägebein, der als zuständiger Regionaldirektor für den Ost-Ausschuss an der Konferenz teilgenommen hat. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe für September 2022 eine Fachkonferenz mit internationalen Experten angekündigt, die sich mit der Gestaltung von Prozessen und Strukturen zum Wiederaufbau beschäftigen soll und so einen glaubwürdigen, verlässlichen und transparenten Prozess erreichen und Priorisierungen vornehmen soll. Zwar seien angesichts des laufenden Krieges noch viele Rahmenbedingungen unsicher, so Premierminister Denys Schmyhal in Lugano. „Abwarten ist in dieser Situation aber keine Option“, erklärte er vor den rund 1000 Teilnehmern.
Effizienz und Koordination wichtig
Im Rahmen des Debriefings betonte Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms als Moderator die Notwendigkeit, die vielfältigen internationalen Hilfsangebote für die Ukraine effizient zu strukturieren und dafür transparente Strukturen zu schaffen. Auch für Deutschland sei es wichtig, die Aktivitäten zum Wiederaufbau der Ukraine jetzt besser zu koordinieren, um Parallelstrukturen zu vermeiden. Der Ost-Ausschuss wolle hier zu einer effizienten Einbindung der Privatwirtschaft beitragen. Harms stellte sich in diesem Zusammenhang auch hinter die Idee, innerhalb der Bundesregierung einen Sonderbeauftragten für die Ukraine mit umfangreichen Kompetenzen zu benennen. „Ich bin hier sehr für einen One-Stop-Shop“.
Christoph Denk (EBRD) merkte an, dass der vorliegende ukrainische Wiederaufbauplan angesichts der äußeren Umstände beeindruckend konkret und ausbalanciert sei. Die Schwerpunkte lägen auf einer modernen, innovativen und grünen Transformation des Landes im Zuge des Wiederaufbaus. Wichtig sei, so Denk, eine kluge und klare Priorisierung der Aufgaben vorzunehmen, um möglichst schnell in die Projektumsetzung zu gelangen. Erfolgreiche Reformelemente aus den Jahren seit 2014 müssten genauso genutzt werden wie neue Instrumente. Gleichzeitig müssten noch bestehende Defizite bei Prozessen und Strukturen überwunden werden. Die EU habe angekündigt, hier eine treibende Kraft im Reformprozess zu werden.
40 Millionen Quadratmeter Gebäudefläche zerstört
Nach aktuellen Schätzungen der ukrainischen Regierung liegt der akute Hilfsbedarf in der Ukraine bei rund 50 Milliarden US-Dollar, da unter anderem geschätzte 40 Millionen Quadratmeter Gebäudefläche, 212 medizinische Institutionen, tausende Kilometer Straßen und fünf Flughäfen ganz oder teilweise zerstört seien. Öffentliche und internationale Geber werden einen großen Teil der Wiederaufbaumittel zur Verfügung stellen müssen. In Lugano wurde aber immer wieder auch die Bedeutung des Privatsektors beim Wiederaufbau hervorgehoben.
Harms betonte während des Debriefings, dass für eine Beteiligung deutscher Unternehmen ein gewisses Maß an Sicherheit sowie solide und verlässliche Rahmenbedingungen notwendig seien. Es sei ein gutes Zeichen, dass die ukrainische Regierung Intensiv an den rechtlichen Voraussetzungen und einer Angleichung an europäische Standards arbeite. Als drittes benötigten Unternehmen die Aussicht auf konkrete Verdienstmöglichkeiten.
Als Follow-up lädt der Ost-Ausschuss seine Trägerverbände, Mitglieder und andere wirtschaftsnahe Akteure ein, ihre Aktivitäten zu bündeln. Nach der Sommerpause wird dazu im August eine erste (interne) Abstimmungsrunde mit interessierten Akteuren organisiert und der Dialog mit der Bundesregierung und der ukrainischen Regierung intensiv fortgesetzt. Unternehmen und Organisationen, die sich in den laufenden Prozess einbringen möchten, können sich gerne an die Ost-Ausschuss-Geschäftsführung wenden. Für Ende Oktober ist in Zusammenarbeit mit DIHK und der AHK Ukraine eine Neuauflage der deutsch-ukrainischen Wirtschaftskonferenzen geplant.
Dokumente zum Recovery-Plan und Sektorübersichten: https://www.urc2022.com/urc2022-recovery-plan
Text der "Lugano-Deklaration" zu den Prinzipien des Wiederaufbaus: https://www.urc2022.com/conference-materials
Stefan Kägebein,
Regionaldirektor für Osteuropa
Stefan Kägebein
Regionaldirektor Osteuropa
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