Gemeinsam mit der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer (AHK Rumänien) veranstaltete der Ost-Ausschuss am 28. und 29. September das 2. Deutsch-Rumänische Wirtschaftsforum in Berlin. Unterstützt wurde die Veranstaltung, in die erstmals auch das EU-Kandidatenland Moldau einbezogen wurde, von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Neben dem moldauischen Premierminister Dorin Recean und dem rumänischen Wirtschaftsminister Stefan Radu Oprea nahm auch Vize-Kanzler Robert Habeck teil. Eröffnet wurde die Konferenz mit einer Videobotschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz.
Insgesamt 250 Teilnehmende, darunter zahlreiche weitere Regierungs- und Unternehmensvertreter aus Deutschland, Rumänien und Moldau informierten sich an zwei intensiven Konferenztagen über bi- und trilaterale Kooperationsmöglichkeiten. Im Mittelpunkt standen dabei Nearshoring, Forschung und Entwicklung (F&E), Digitalisierung, nachhaltige Energie sowie die Agrar- und Ernährungswirtschaft.
Handelspartner Nummer eins in Südosteuropa
Eröffnet wurde der erste Konferenztag in der IHK Berlin, durch den der Geschäftsführende Vorstand der AHK Rumänien Sebastian Metz führte, von AHK-Präsident Andreas Lier (BASF SE) und Ost-Ausschuss-Vorstand Philipp Haußmann (Ernst Klett AG). „Rumänien ist bereits heute der mit Abstand wichtigste Handelspartner Deutschlands in Südosteuropa“, betonte Haußmann. „Das Land ist längst nicht mehr nur ein günstiger Produktionsstandort, sondern ein echter Innovationspartner, insbesondere in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Digitalisierung und grüne Transformation“. Das deutsch-rumänische Handelsvolumen ist in den ersten sieben Monaten 2023 um elf Prozent auf knapp 24 Milliarden Euro gestiegen. Rund 9.500 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung sind in Rumänien engagiert und haben dort bisher rund eine Viertelmillion Arbeitsplätze geschaffen. Neben der Automobilindustrie gewinnen dabei der IT-Sektor, aber auch Energie und Lebensmittelversorgung an Bedeutung.
Haußmann hob insbesondere die Teilnahme moldauischer Gäste aus Politik und Wirtschaft hervor. „Rumänien ist mit seiner dynamischen Wirtschaftsentwicklung ein eindrucksvolles Beispiel für den Erfolg der EU-Integration in Südosteuropa“, sagte er und forderte gleichzeitig ein höheres Tempo für die übrigen Kandidatenländer in Südosteuropa, zu denen seit 2022 auch die Republik Moldau gehört. „Die Erweiterung der EU schafft einen größeren, global wettbewerbsfähigen europäischen Binnenmarkt und nützt damit nicht nur den neuen Mitgliedern, sondern ganz Europa.“ Dazu gehöre auch eine rasche Integration Rumäniens in den Schengen-Raum.
Scholz: „Sie gehören zu uns“
Bundeskanzler Scholz erinnerte in seiner Videobotschaft an den EU-Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 und die erfolgreiche Entwicklung seitdem. „Die bilaterale Handelsentwicklung und die vielen Rumäninnen und Rumänen in Deutschland sind ein starkes Fundament für eine gute gemeinsame Zukunft“, sagte Scholz. Er sprach sich ebenfalls für die Erweiterung des Schengenraums um Rumänien und generell für die EU-Erweiterung in Südosteuropa aus. „Sie gehören zu uns – wirtschaftlich und kulturell, so wie der Westbalkan, die Ukraine und perspektivisch Georgien“, sagte Scholz an die rumänischen und moldauischen Teilnehmenden gerichtet. Beide Länder seien zudem verlässliche Partner bei der Unterstützung der Ukraine.
Auf die Nachbarschaft seines Landes zur Ukraine ging auch der moldauische Premiere Dorin Recean ein. Diese habe die Lage Moldaus erheblich verändert. Recean versicherte, dass Moldau die EU-Agenda implementieren werde und bei der EU-Integration vorankomme. Wirtschaftlich setze sein Land auf eine wachsende Zahl von Freihandelsabkommen mit anderen Ländern, den Ausbau der Infrastruktur mit besseren Verbindungen zur Ukraine und nach Rumänien sowie auf die Energiewende mit der Errichtung neuer Solar- und Windparks. „Der Ausbau von Infrastruktur und Energiesektor kommt auch dem Wiederaufbau der Ukraine zugute,“ betonte Recean. Moldau sei dabei ein „Hub für den Wiederaufbau.“ Eine wichtige Rolle für die Wirtschaft des EU-Anwärters spielten zudem der traditionelle Weinbau, aber zunehmend auch der IT-Sektor.
Wettbewerbsmentalität ist vorhanden
Was Rumänien als Investitionsstandort zu bieten hat, diskutierten Vertreter deutschen Investoren mit Wirtschaftsminister Ștefan-Radu Oprea. Dabei zeigte sich, dass Rumänien nicht nur im Wettbewerb mit anderen Ländern steht, sondern auch innerhalb des Landes ein Wettbewerb um Investitionsansiedlungen herrscht: „Sie wissen gar nicht, wie viele Bürgermeister mich anrufen, um Investoren zu bekommen“, sagte Oprea. „Die Wettbewerbsmentalität ist vorhanden.“ Das südosteuropäische Land könne dabei vom Trend zum Nearshoring profitieren, denn Unternehmen wollen ihre Produktion und Logistik vermehrt dezentralisieren und näher an die Abnehmer bringen. „Nähe hat zwei Dimensionen: Nähe zum Markt und kulturelle Nähe“, sagte Alexander Knauf vom gleichnamigen Baustoffhersteller. Rumänien punkte dabei durch eine „solide Industriekultur mit gut ausgebildeten Arbeitskräften.“
Entscheidend, darüber waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, sind gute Mitarbeiter. „Wir bauen Fabriken in Rumänien mit demselben Automatisierungsgrad wie in Deutschland“, sagte Christian von Albrichsfeld von Continental Rumänien. „Dazu brauchen wir entsprechend geschultes Personal.“ Über die reine Produktion hinaus betreibt Continental inzwischen auch vier Forschungs- und Entwicklungszentren in Rumänien. Viele deutsche Investoren kooperieren dafür schon seit Langem mit rumänischen Universitäten und Institutionen. Prof. Jörg Markus Elsenbach von Dräxlmaier hatte dazu eine klare Botschaft: „Wir sollten keine Fachkräfte nach Deutschland holen, sondern dort investieren, wo die Fachkräfte sind.“ Klar wurde in der Diskussion, dass deutsche Investoren langfristig auf Rumänien setzen und Leitungsfunktionen zunehmend in lokale Hände übergeben, auch als Anreiz für eine Karriere im Unternehmen.
In einer weiteren Diskussionsrunde ging es um die Chancen der Digitalisierung. Dabei ging es insbesondere um die Frage, wie Innovationen gefördert werden können und welche Bedeutung der Ausbau der digitalen Infrastruktur dafür hat. Einig waren sich die Diskutierenden, dass sich ein Umfeld, in dem innovative Ideen gedeihen können, nur im Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft entwickeln kann. Berechenbarkeit, Stabilität und ein offener Dialog über die Stärken und Schwächen des Standortes Rumänien sind die Zutaten, die eine weitere positive Entwicklung befördern können.
Habeck eröffnet Tag Zwei
Am 29. Oktober konnten Ost-Ausschuss Geschäftsführer Michael Harms und DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier weitere politische Prominenz im Haus der Deutschen Wirtschaft. begrüßen: Der zweite Konferenztag begann mit Reden von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, seinem moldauischen Amtskollegen Dumitru Alaiba, der Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt Anna Lührmann sowie vom rumänischen Energieminister Sebastian-Ioan Burduja.
Habeck eröffnete seine Rede mit dem Versprechen, in kürzester Zeit endlich selbst Rumänien und Moldau zu besuchen. Angesichts des wachsenden Drucks durch multiple Krisen auf die liberalen Demokratien und eines zunehmenden Wettbewerbs mit China und den USA sei es notwendig, eine „strategische Allianz“ der Demokratien im Zentrum Europas zu bilden und die europäische Wirtschaft gemeinsam stärker zu diversifizieren. Rumänien könne hier mit eigenen Rohstoffen und großen Potenzialen für die Energieerzeugung einen wichtigen Beitrag leisten. Insbesondere regte Habeck Energiepartnerschaften zwischen deutschen und rumänischen Unternehmen zur Erschließung des Windenergiepotenzials im Schwarzen Meer an. Ähnlich wie die Nordsee könne das Schwarze Meer einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der EU mit Erneuerbarer Energie leisten. Dazu sei es notwendig, sich über eine Verrechnung der gemeinsam erzeugten grünen Energie für die nationalen Klimabudgets zu verständigen und entsprechende Transportkapazitäten über Stromnetze und Wasserstoffpipelines Richtung Mitteleuropa zu projektieren.
Habecks Vorschläge griff seinerseits der rumänische Energieminister Burduja auf: „Das Potenzial des Schwarzen Meeres ist riesig - lasst uns beginnen.“ Neben Wind- und Solarenergie zur Erzeugung von Wasserstoff will Burduja aber auch in die Offshore-Förderung von Erdgas investieren und rief dazu auf, bei der grünen Transformation die sozialen Aspekte nicht zu vernachlässigen und die Job-Ängste von Kohlekumpel nicht zu ignorieren.
„Wie Estland, nur mit besserem Wetter“
Staatsministerin Lührmann hob in ihrer Rede hervor, dass der Beitrag Moldaus zur EU nicht eine Frage des „ob“, sondern Frage des „wie“ sei. Die EU müsse dafür jetzt die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Der stellvertretende moldauische Premierminister Alaiba betonte, dass Moldau den EU-Beitritt bis zum Jahre 2030 erreichen wolle. Für Investoren arbeite Moldau zudem intensiv am Abbau von Bürokratie und attraktiven Steueranreizen. Noch in diesem Jahr solle dazu ein Gesetz verabschiedet werden. „Wir werden wie Estland sein, aber mit besserem Wetter“, versprach Alaiba.
Der Energiesektor und die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft standen am zweiten Tag im Vordergrund. An der Diskussion zur Energiewirtschaft nahmen die Fachminister von Rumänien und Moldau, Sebastian-Ioan Burduja und Victor Parlicov, teil. Rumänien, das sowohl über Erdgas, aber auch über Kernkraftwerke und erneuerbare Energien verfügt, setzt grundsätzlich auf Technologieoffenheit und Versorgungssicherheit. Die Entwicklung grüner Energieträger stößt wegen des unzureichenden Netzausbaus jedoch noch an Grenzen. Ein wichtiger Aspekt der Energiepolitik ist die Steigerung der Energieeffizienz. So ist die Energieintensität in Rumänien fast doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Zur Steigerung der Energieeffizienz können digitale Anwendungen maßgeblich beitragen. Perspektivisch könnte Rumänien dadurch ein wichtiger Stromexporteur werden. Insgesamt ist der Energiesektor ein idealer Bereich für Kooperationen mit deutschen Unternehmen. „Die Tür ist offen; Sie brauchen nicht einmal anzuklopfen“ rief Minister Burduja den Unternehmensvertretern zu.
Auch Moldau hat in den vergangenen zwei Jahren einen gewaltigen Umbau seiner Energieversorgung vollzogen und dabei seine Versorgungssicherheit bewahrt: Bereits 2021 hat Gazprom seine Lieferungen in das Land eingestellt, das bis dahin vollständig von russischen Gaslieferungen abhängig war. Innerhalb von zwei Jahren koppelte sich Moldau von russischem Gas ab, 2022 erfolgte gemeinsam mit der Ukraine die Trennung vom russischen Stromverbund. Entscheidend seien nun, Investitionen in die Energieeffizienz, so Minister Parlicov, um über Strompreissenkungen den „Kampf um Herzen und Hirne der Bevölkerung zu gewinnen“. Deutsche Unternehmen könnten innovative Technologien in seinem Land testen, bot der Minister an.
Landwirtschaft braucht Imagewandel
Als einer der größten Getreideproduzenten in der EU und als Transitland für die Ukraine leistet Rumänien auch einen wichtigen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit. Unter dem Titel „From Farm to Fork“ diskutierten Vertreter aus Politik und Wirtschaft die aktuellen Herausforderungen für die rumänische Landwirtschaft und für den Handel. Sorgen bereiten die schrumpfenden Anbauflächen und der fehlende Nachwuchs. Noch sei das Image der Branche sehr traditionell und eher negativ, aber die zunehmende Digitalisierung der Landtechnik könnte hier einen positiven Beitrag zu einem Imagewechsel leisten. Darüber hinaus wurde in der Diskussion die wichtige Rolle dieses Sektors bei der Umsetzung des Green Deal hervorgehoben, etwa durch Investitionen in neue Technologien, die Reduktion der Lebensmittelverschwendung oder die lokale Produktion.
Christian Himmighoffen, Andreas Metz, Anja Quiring, Martin Hoffmann
Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Anja Quiring
Regionaldirektorin Südosteuropa
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